
Berlin
Zweisprachiges Miteinander in Berlin
Oken-Schüler besuchten gemeinsam mit Eleven des Lycée Marc Bloch die deutsche Hauptstadt
Seit nunmehr sechs Jahren besteht eine Kooperation des Oken-Gymnasiums mit dem Lycée Marc Bloch aus Straßburg. „Berlin zwischen Ost und West“ lautete das Motto der diesjährigen Drittortbegegnung, einer besonderen Form des Schüleraustauschs, bei dem deutsche und französische Schüler gemeinsam für eine Woche eine zweisprachige Studienfahrt durchführen.
Einen lebendigen Eindruck der bewegten Geschichte Berlins konnten die Schüler anhand einer mehrteiligen Stadtführung gewinnen. Sie begann als begleitete Stadtrundfahrt, fand ihre Fortsetzung in einem Spaziergang auf Berlins Prachtstraße „Unter den Linden“ und endete mit dem Besuch des modernen Museums „Story of Berlin“. Durch begehbare Installationen, Alltagsgegenstände aus Ost und West und zahlreiche audiovisuelle Präsentationen wird hier den Besuchern die Geschichte unserer Hauptstadt anschaulich nähergebracht.
Im Stasigefängnis Hohenschönhausen erfuhren die Schüler einiges über den menschenverachtenden Umgang des DDR-Machtapparates mit Andersdenkenden. Nachdenkliches Schweigen herrschte angesichts der physischen und psychischen Foltermethoden, mit denen es den Mitarbeitern des Unrechtsregimes leider allzu oft gelang, Geständnisse zu erpressen, die nicht der Wahrheit entsprachen. Willkommene Abwechslung bot im Anschluss eine Spreefahrt, während der die Schüler die krassen Erlebnisse verdauen konnten.
Ein Besuch des Alliiertenmuseums und des Deutschen Historischen Museums stand ebenso auf dem Programm wie ein Theaterbesuch der Komödie am Kurfürstendamm. „Achtung Deutsch!“ hieß das heitere Stück, in dem eine Multikulti-WG eine „urdeutsche“ Familie mimte. „Ich hätte nie gedacht, dass Theater so amüsant sein kann“, stellte Jan Krieg, Schüler der 10. Klasse, fest.
Höhepunkt der Fahrt war der Abschlussabend, den die Schüler intensiv vorbereitet hatten. In einzelnen Beiträgen wurden die Erfahrungen und Erlebnisse der Woche kreativ umgesetzt. Die Theatergruppe spielte ein konfliktgeladenes Drama, in dem ein Ostberliner Mädchen für ihre Liebe zu einem Wessi kämpfte und sich gegen ihren Vater, ein ranghohes SED-Mitglied, durchsetzen musste. Eine weitere Gruppe ließ Reporter von unterschiedlichen Orten aus über Berlin berichteten. Andere hatten in einem deutsch-französischen Chanson ihre Erlebnisse verarbeitet oder erzählten eine fantastisch-groteske Geschichte anhand einiger Objekte, die sie während ihres Aufenthalts gesammelt hatten. Es gab ein Berlin-Quiz, eine multimediale Diashow, und es galt, als Außerirdische die deutsche Metropole den zuhause gebliebenen Extraterrestrischen nahezubringen. Zudem nahm eine Schülergruppe typische deutsche und französische Gesten und Ausdrücke der Alltagssprache aufs Korn.
Deutsche und Franzosen waren gemischt in den Vier- bis Sechsbettzimmer ihrer Unterkunft untergebracht. Durch die gemeinsamen Aktivitäten und gemischtsprachigen Projekte verloren die Schüler schnell ihre Zurückhaltung. „Wir haben uns immer besser verstanden. Ich habe viel Französisch sprechen müssen und wichtige Wörter des Alltags gelernt“, sagte Esther Zimmer, Schülerin der 10. Klasse.
Tina Häberle und Frank-Jochen Saam, die begleitenden Lehrer des Oken-Gymnasiums, haben in den letzten Jahren das jetzige Konzept des Schüleraustauschs mit ihren französischen Kollegen erarbeitet: „Inhaltlich muss ein klarer Schwerpunkt erkennbar sein. Die Schüler sollen über das Erfahrene in der Fremdsprache miteinander sprechen“, erläutern die beiden. „Unser Ziel ist es, dass möglichst dieselbe Schülergruppe in zwei aufeinander folgenden Jahren einmal nach Frankreich, einmal nach Deutschland fährt.“ Dabei werden die beiden Hauptstädte, Berlin und Paris, und zwei Hafenstädte, Hamburg und Marseille, zum Ort der Begegnung. Interkulturelles Lernen ist so direkt vor Ort möglich, Unterschiede und Gemeinsamkeiten können durch praktische Anschauung erarbeitet werden. Die Schüler zeigten sich von dieser Art des Austauschs begeistert: „Die Projekte und die Programmpunkte waren wirklich klasse“, so Julia Ungefug, Zehntklässlerin am Oken.
Foto: Miteinander leben und über gemeinsame Erfahrungen sprechen: Das deutsch-französische Sprachenprojekt war ein Riesenerfolg.
Frank-Jochen Saam, Oken-Gymnasium