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26.11.2009: „Die Manager selbst sind Getriebene des Systems“

Badische Zeitung, 26. November 2009

OFFENBURG (BZ). Die Theater-AG des Okengymnasiums bleibt unter der engagierten Leitung von Helge und Johannes Schröder ihrer Neigung zu experimentellen, gegenwartsnahen und zeitkritischen Inszenierungen treu. Nachdem erst im Mai 2009 Roland Schimmelpfennigs mythisch-düstere Großstadtstudie „Auf der Greifswalder Straße“ erfolgreich über die Schulbühne ging, folgt nun Urs Widmers Gesellschaftssatire „Top Dogs“, die am Montag Abend im Musikraum des Oken Premiere feierte.

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Das grelle Porträt einer deklassierten Kriegerkaste gelingt den Schauspielerinnen und Schauspielern der Oken-Theater-AG.

Das Thema des 1996 in Zürich uraufgeführten Stücks ist besonders aktuell und brisant. Es geht um Führungskräfte aus der Wirtschaft, die infolge ökonomischer Umbrüche selbst arbeitslos geworden sind und mit dieser ungewohnten Situation in einer Art gehobenen, psychotherapeutischen Maßnahme umzugehen haben.
Trotz Wirtschafts- und Finanzkrise: „Business as usual!“ scheint die Botschaft zu sein, die die geschassten, aber letztlich einsichtslosen Manager vermitteln, womit sie dem Publikum einen Spiegel vorhalten. Um fast jeden Preis sind sie dazu bereit, sich den härter werdenden Anforderungen der globalisierten Wirtschaftswelt zu unterwerfen, wenn man sie nur lässt. Sie träumen weiter von Glaspalästen und Zahlenkolonnen und flechten in ihr Gespräch immer wieder Worthülsen in perfektem Business-Englisch ein, die man inzwischen auch aus Politik, Verwaltung und Bildungswesen kennt („Output-Orientierung“). Ihr Gruppenseminar entpuppt sich als zielgerichtete, persönlichkeitsstützende Maßnahme, in der über unangenehme eigene Erfahrungen nur gesprochen wird, um diese schnellstmöglich zu überwinden und sich für neue Aufgaben vorzubereiten. Statt Selbstkritik zu üben, ist die Wiederaufrichtung eines angeknacksten „Leistungsträger“-Egos Hauptzweck der Veranstaltung: „Remember your greatness“ avanciert entsprechend zum zentralen Satz des Stücks.

Diese Selbstbeweihräucherungsformel wird nicht bloß in Entspannungsphasen des Seminars mehrfach eingespielt, sondern ziert auch als bitter-ironisches Gesamtmotto der Inszenierung das ansonsten schlicht gehaltene Bühnenbild. Aus ökonomischen und persönlichen Krisen wird nicht gelernt.

Der Gefahr, dass durch solche Zuspitzungen Topmanager auf der Bühne lächerlich gemacht und als Sündenböcke für unerfreuliche gesellschaftliche Entwicklungen an den Pranger gestellt werden, entgeht die Theater-AG des Oken in ihrer Inszenierung indessen. Zwar treten die unsympathischen Züge der Figuren in der Darstellung durch die Schülerinnen und Schüler deutlich hervor – wenn zum Beispiel einer der Manager nicht einmal mehr den Namen seiner Kinder weiß oder ein anderer krasse, menschenverachtende Fantasien offen äußert. Aber dem Schauspielerstab gelingt es auch, den Führungskräften ein anderes, menschlicheres Gesicht zu verleihen, indem sie deren Verletzlichkeit wiederholt aufblitzen lassen und diese damit selbst als Getriebene eines entfesselten ökonomischen Systems erscheinen lassen.

Auf hohem Niveau zu unterhalten und gleichzeitig über die Schule hinaus kritische Anstöße zu geben, ist eine beachtliche Gesamtleistung der Theater-AG am Okengymnasium, die bei den Erstaufführungen von „Top Dogs“ durch wiederholten Szenenapplaus und anhaltenden Jubel am Ende angemessen gewürdigt wurde.

Die Inszenierung ist anspruchsvoll, und verzichtet bewusst auf technische Spielereien und Effekte, um sich ganz auf die Charakterzeichnung zu konzentrieren. Die räumliche Nähe zu den Zuschauern im sehr atmosphärisch verwandelten Musiksaal trägt zu der hohen Intensität der Aufführung bei.

Textsicherheit und eine souveräne schauspielerische Umsetzung

Textsicherheit und eine souveräne schauspielerische Umsetzung zeugen von der großen Erfahrung des Schülerensembles. Mike Heidenreich, Mathias Walter, Niklas Stahlberger, Teresa Keßner, Sebastian Müller, Marlene Beck und Katharina Waldhecker, die zum Teil schon seit mehreren Jahren in der AG aktiv sind, beweisen ein großes handwerkliches Geschick, das sich in ihrer Flexibilität bei der Darstellung unterschiedlicher, tragender Rollen äußert. Jüngere Teilnehmer wie Nina Neumann, Marius Rinkel, Patrick Cieslik, Lea Spinner, Danny Joggerst und Fabian Lischkowitz wachsen nach und passen sich dem schauspielerischen Gesamtniveau der Gruppe erfreulich schnell an. Man hofft, sie noch das eine oder andere Mal auf der Okenbühne sehen zu können. Weitere Aufführungen folgen noch am Donnerstag, 26. und Freitag, 27. November, jeweils um 19.30 im Musiksaal I des Oken-Gymnasiums.