
07.04.2011:“Ein flotter, frischer Lustspielklassiker“
Badische Zeitung, 07. April 2011
Oscar-Wilde-Stück von Oken-Schülern mit Bravour präsentiert.
Der Laptop als Requisite bei der Aufführung eines Stückes von Oscar Wilde – kein Problem Foto: Reinhard End
OFFENBURG. Ein guter Schauspieler lügt dem Publikum die Wahrheit vor. Denn er tut so, als sei er jemand anderes. Besonders reizvoll wird es, wenn die Figur im Spiel sich selbst etwas vormacht, ihre Selbstlüge oder Selbsttäuschung (anderen) offenbar wird. So funktioniert eine Komödie.
Oscar Wilde hat 1895 dieses Muster in seiner gesellschaftskritisch-absurden Salonkomödie „The Importance of Being Earnest“ parodiert. Im Deutschen kann das Wortspiel des Titels nur unzureichend wiedergegeben werden. „Earnest“ bedeutet „aufrichtig“ und ist in der Schreibweise „Ernest“ zugleich ein männlicher Vorname (Ernst). Mit ihrer Interpretation von „Ernst sein ist alles“ legte die Theater-AG am Oken-GymnaEsium am vergangenen Montag so etwas wie ihre „Reifeprüfung“ ab – sehr zur Freude des zahlreichen Premierenpublikums.
Sechs der acht Darsteller gehören dem Abiturjahrgang an und verabschieden sich bald von der Schule in „den Ernst des Lebens“. Das Ensemble zeigte eine geschlossene Teamleistung, zu der auch Bühnenbild und Technik ihren Teil beitrugen. Die Truppe um das Regie-Team (Helge) Schröder & (Johannes) Schröder stellte noch einmal ihr Können und ihre Spielfreude unter Beweis. So flott, frisch und in jeder Hinsicht unterhaltsam kann man heute diesen Lustspielklassiker auf die (Schul-)Bühne bringen.
Positiv überraschen Bühnenbild und Ausstattung (Richard Endres, Florian Amend): kein viktorianischer Salon, sondern modernes Penthouse-Interieur der Lifestyle- und Fit-for-Fun-Generation mit Stepper und – ironische Brechung – einem Spiralfeder-Schaukelpferdchen. Ein geniales Ausstattungsdetail auch die Carrera-Bahn, auf der kleine Autos ihre Loopings drehen und gelegentlich aus der Bahn geworfen werden wie die spritzigen Aphorismen und boshaften Aperçus der Dialoge. Die Kostüme: zeitgenössischer Schnitt, kurze Röcke, legere Anzüge, weiße Bademäntel. Oscar Wilde behutsam modernisiert: Der Dandy trifft seine Verabredungen über Facebook (via Beamer auf die Bühne projiziert), das 18-jährige Mädchen führt sein Liebestagebuch als Blog. Alles in sich stimmig, leicht ironisiert, aber nicht überdreht.
Das ist auch gut so. Denn die Handlung, eine verwickelte Verwechslungsgeschichte mit viel Situationskomik, ist schon überdreht genug. Zwei englische Snobs, Algernon (souverän-lässig gespielt von Mike Heidenreich) und John (Mathias Walter als „ernsthafteste Person“ absolut überzeugend), lügen ihrer Umgebung etwas vor, um für ihr ausschweifendes Doppelleben ein gesellschaftlich akzeptiertes Alibi zu haben. Der urbane Algernon gibt vor, seinen kranken Freund „Bunbury“ auf dem Land zu besuchen. John, der auf dem Land lebt, tritt in den Clubs der Stadt als „Ernst“ auf. Dummerweise verliebt sich John unter seinem Pseudonym „Ernst“ in Algernons Cousine Gwendolen (schlagfertig flirtend: Teresa Keßler), die ihn nur wegen seines Namens heiraten will. Ihre strenge Mutter, Lady Bracknell (adelig-herrisch: Marlene Beck), willigt erst ein, nachdem sie „Ernst“ über seine Vermögensverhältnisse verhört hat. Zwischendurch serviert der Butler Lane den Fünf-Uhr-Tee (geräuschlos-stoisch und mit perfekter Haltung: Mark Gert).
Verzwickt wird es, als Algernon sich für „Ernst“ ausgibt und in dieser Rolle Johns Mündel Cecily (reizend-naiv: Hannah Walther) verführt. Doch der Bluff fliegt auf, als der richtige falsche Ernst (John) dem gespielten falschen Ernst (Algernon) gegenübersteht und beide entlarvt sind.
Es kommt zu weiteren haarsträubenden Verwicklungen auf deren Höhepunkt John nicht mehr weiß, wer er ist. Nur Cecilys Privatlehrerin, Miss Prism (doppelbödig: Anna Dippel als älteres Fräulein), die ein heimliches Verhältnis mit dem bigotten Pastor Chasuble (großartige Mimik: Niklas Stahlberger) unterhält, kann am Ende Aufklärung bringen. Ein schöner Regieeinfall ist das getanzte Finale (Choreographie: Tanja Röderer) zu Musik aus „Dirty Dancing“. Dieses Stück ist ein großer Spaß, diese Inszenierung macht großen Spaß!
Nächste Aufführung: Freitag, 8. April, 19.30 Uhr, in der Aula des Oken-Gymnasiums in Offenburg