
02.07.2011: „Die Dialoge sitzen – und übrigens auch die Ohrfeigen“
Badische Zeitung, 2. Juli 2011
Die Theater-AG des Oken-Gymnasiums bürstet Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ aktualisierend gegen den Strich.
OFFENBURG. Das letzte Wort hat die Putzfrau. Das Stück (im Stück) ist vorbei, der Vorhang geschlossen. Der Säufer Sly (Mike Heidenreich) torkelt über die Bühne (Bühnenbild: Richard Endres, Florian Amend) und zitiert besoffen-begeistert aus dem liegengebliebenen Textbuch der turbulenten Komödie, die eine herumreisende Schauspieltruppe gerade gespielt hatte und in der es um die Zurichtung einer Frau für den Ehestand ging: Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“. Als Sly die Putzfrau (Kathrin Panitz) begrabschen will, fegt diese ihn resolut von der Bühne. Sie liest ebenfalls im Textbuch und kommentiert entrüstet die Sätze aus dem letzten Akt: „Der Shakespeare – das is‘ doch ’n Macho!“
Mit dieser Schlusspointe wird die „Gehorsamkeitsrede Katharinas‘ und die darin zum Ausdruck gebrachte unbedingte Unterwerfung der Frau unter den Mann zurechtgerückt. Denn die Haupthandlung, das „Zähmungsexperiment“ Petrucios, mit dem er ein aufbrausendes, verwöhntes, rücksichtloses Mädchen reif für die Ehe machen will, läuft auf mehr als die Dressur einer Kratzbürste hinaus. Am Ende steht ein Paar, das sich wirklich liebt und – innerhalb der Grenzen, die die gesellschaftlichen Konventionen stecken – ein glückliches Leben führen kann. Petrucio (Sebastian Müller) und Katharina (Nina Neumann) haben am Ende nicht nur ein (vom Frauenflüsterer Petrucio aufgestelltes) Erziehungsprogramm erfolgreich durchlaufen, sie haben sich auch positiv weiterentwickelt.
Anders bei den Paaren der Nebenhandlung: Für Bianca (Katharina Waldhecker) und Lucentio (Florian Amend), Hortensio (Marius Rinkel) und die Witwe (Isabella Artschakow) wird die Ehe zur Hölle, zum „Geschlechterkampf“. Oder ist alles doch nur Schein?
Dass man am Oken eine Verwechslungskomödie um Sein und Schein spritzig spielen kann, haben kürzlich erst die Abiturienten bei Oscar Wildes „Ernst sein ist alles“ bewiesen. Nun zeigen die Jüngeren ihr schauspielerisches Können und komödiantisches Talent. Reibungslos funktionieren bei der Premiere die Abläufe mit fast 30 Akteuren. Verliebte Blicke werden ausgetauscht. Die Dialoge sitzen – und übrigens auch die Ohrfeige, die Katharina Petrucio verpasst! Besonderen Spaß macht den Darstellern das Spiel im Spiel.
Was sonst hinter der Bühne im Verborgenen geschieht, wird offenbar, die Illusion als Illusion erkennbar. Shakespeare lebte in einer patriarchalischen Gesellschaft, in der die Frau wirtschaftlich vollständig abhängig vom Mann war. Diese Zeiten sind vorbei, das weiß jede Putzfrau. Die Frage jedoch, was Liebe ist und ob und wie Liebe in einem auf Dauer angelegten Zusammenleben zweier Menschen möglich ist, stellt sich jeder Generation neu.
Weiterer Aufführungstermin: Sonntag, 3. Juli 18 Uhr, Aula des Oken-Gymnasiums.